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Ein Kommentar von Martin Beier.

Die Iden des März sind berüchtigt, seit Cäsar erstochen wurde; Mitte März vor 2.064 Jahren war das, sagt die Geschichte. Vor 20 Jahren platzte Mitte März die Internetblase an der Börse. Der Kurssturz dauerte drei bittere Jahre. Jetzt ist wieder Mitte März und es gibt Corona. Aktionäre und Geldverwalter nehmen heftig sinkende Kurse in Kauf, um deutsche Aktien loszuwerden. Dabei hat „der Deutsche“ praktisch gar keine Aktien; allenfalls Fonds und ETF.

Schwarzes Gold, schwarzer Montag

Der schwarze Montag brach los, als der Alexander Walentinowitsch Nowak „njet“ gesagt hatte: nein zu Plänen, die Förderung des schwarzen Goldes (Öl) weltweit zu verringern. Nowak ist Energieminister der Russischen Föderation und insoweit Gesprächspartner arabischer Ölminister der OPEC. Novaks „njet“ folgte ein saudisches „Go“: Ölflut, sinkender Ölpreis, sinkende Aktienkurse weltweit.

Mit Corona hat dieser Aktiensturz zunächst mal gar nichts zu tun. Russland hängt an den Einnahmen aus Öl- und Gasverkäufen. Der Absturz des Ölpreises bedeutet Alarm für die Zahlungsfähigkeit Russlands. Die Bonität droht unter die wichtige Investmentqualität „BBB“ herabgestuft zu werden. Wertverluste für Banken und Fonds wären die Folgen. Für Aktien des russischen Riesen Gazprom bekommen Verkäufer jetzt nur noch halb so viel wie Ende letzten Jahres. Fondssparer sind indirekt betroffen. Der Kurssturz schlägt auf die Anteilwerte durch, sofern die Fondsmanager nicht verkauft haben. Bank-Aktien werden zu absoluten Tiefkursen verkauft. Forderungsausfälle würden die ohnehin schlechte Lage der Banken noch verschärfen. Commerzbank und Deutsche Bank sind – im wahrsten Sinne des Wortes – alt: genau 150 Jahre. Sie sind – im übertragenen Sinne – besonders anfällig für Viren.

Aktien verkauft haben ganz viele Fondsmanager und deren Algorithmen. Diese Digitals sind so programmiert, dass sie Verkaufsaufträge automatisch auslösen, wenn bestimmte Kurse erreicht sind. Diese Verkäufe lassen die Kurse dann erst recht in einen Abwärtsstrudel stürzen.

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Nicht der Corona Virus, sondern viel mehr der Kampf um das Erdöl ist verantwortlich für die aktuelle Krise an den Finanzmärkten. Bildquelle: © Zbynek Burival / Unsplash.com
Nicht der Corona Virus, sondern viel mehr der Kampf um das Erdöl ist verantwortlich für die aktuelle Krise an den Finanzmärkten. Bildquelle: © Zbynek Burival / Unsplash.com

Spekulation auf sinkende Kurse

Arabische Öl-Scheichtümer sind doppelt betroffen. Sie brauchen hohe Einnahmen für aufgeblähte Staatshaushalte. Was Ölverkäufe wegen sinkender Preise jetzt nicht mehr bringen, das bringen Verkäufe von Aktien und anderen Wertpapieren aus riesigen Reserven. Die Reserven liegen in Fonds von Blackstone, Blackrock und Goldman Sachs oder wie die weltweit operierenden Mega-Geldverwalter von der Wall Street auch immer heißen mögen. Seit Jahrzehnten haben sie Milliarden in deutsche Aktien gelenkt; so viel, dass die Mehrheit der Aktien deutscher Konzerne längst in Händen solcher Geldverwalter liegt. Die sind i.d.R. mit allen Finanz-Wassern gewaschen: Die spekulieren auch auf sinkende Kurse, weil sie wissen: Wir haben so viel. Wenn wir verkaufen, gehen die Kurse runter. Und wir gewinnen auch dann – an sinkenden Kursen.

Die Strategen aus Riad haben sich obendrein einen Mega-Deal arrangieren lassen; fast so, als hätten sie gewusst, was kommt: Für einen Anteil von nur 1,5 % an ihrer Ölfirma Saudi-Aramco bekamen sie im Dezember abenteuerliche 25 Mrd. € in die Kasse (umgerechnet); gezahlt von gutgläubigen Anlegern und deren Fondsverwaltern. Die Aktien sind jetzt, drei Monate später, 25 % weniger wert.

Und wenn jetzt obendrein die Corona-Verwerfungen erkennbar sind, dann sehen die globalen Geldverwalter schnell, wer das vielleicht am meisten zu leiden bekommt: die Deutschen. Sie sind in doppelter Weise monostrukturiert; abhängig von China und abhängig von der Auto-Produktion. Daimler und BMW zählen zu jenen zehn deutschen Aktien, deren Eigentümer in den vergangenen zwölf Monaten am meisten verloren haben; nämlich mehr als 30 %.

Ende im Global-Gelände

Die Lage wird auch kaum schnell wieder gut werden, wenn Corona eines Tages geheilt sein wird. Visionäre glauben zwar, eine Wende zum Guten am Horizont erkennen zu können. Die Iden des März 2020 könnten in die Geschichte eingehen als das Ende im Gelände der globalisierten Arbeitsteilung. Die unterbrochenen Lieferketten könnten die letzten Mosaiksteine im lange schon zunehmend kritisch betrachteten Bild sein; gezeichnet von globalem Sozialdumping, Umweltdumping und Transportkosten-Sozialisierung durch viel zu billige Meeres-, Straßen- und Luftfrachten. Zerstörte Weltmeere, ruinierte Brücken und vergifte Lüfte liefern einschlägige Belege für die bitteren Folgen.

Der Weg in diese Vision wird freilich kein leichter sein: Weniger Schiffe, nicht mehr so viele LKW, weniger Flugzeuge, mehr lokal weniger global. Die Aktie der Deutschen Lufthansa zählte schon 2018 und 2019 zu jenen Papieren, deren Kurse heftig gesunken sind. Erst recht gilt das jetzt im Corona-Crash und nicht nur in Deutschland.

Nach Einschätzung von Martin Beier stehen vor allem die Flugzeugbauer und - gesellschaften vor enorm großen Herausforderungen. Bildquelle: © Ross Parmly / Unsplash.com
Nach Einschätzung von Martin Beier stehen vor allem die Flugzeugbauer und – gesellschaften vor enorm großen Herausforderungen. Bildquelle: © Ross Parmly / Unsplash.com

Angst um Flugzeugbauer

Boeing war schon vor Corona böse infiziert von nicht mehr wirksam kontrollierbarer globaler Arbeitsteilung. Pessimisten sehen für diese Ikone des Flugzeugbaus das Schicksal, das die Ikone des Autobaus vor Jahren traf: General Motors ging in die Insolvenz. Millionen Sparer und Anleger, auch aus Deutschland, verloren dadurch Milliarden. Jetzt haben sie – zumindest indirekt über Fonds – Milliarden auch in Aktien und Anleihen von Boeing stecken oder von Airbus.

Und was passiert mit dem Geld, das täglich aus Aktienverkäufen rauskommt? Verkaufen kann zunächst mal nur, wer Käufer findet, die Geld bezahlen. An Käufern fehlt es derzeit. Zu groß ist die Angst.

Viel Geld fließt derweil in Anleihen: Für 1.000 € Nennwert der 4,75-%-Bundesanleihe aus 2008 z.B. werden jetzt freiwillig mehr 2.100 € bezahlt; wohlwissend, dass es in 20 Jahren nur 1.000 € dafür zurückgeben wird. Das ist ein krasses Minusgeschäft; unabhängig davon, was man 2040 für 1.000 € noch wird kaufen können. Jährlich 47,50 € Zinsen gibt es nur auf den Nennwert. 1.100 € Kursverlust über 20 Jahre bedeuten 55 € Minus pro Jahr. Wer solche Geschäfte macht, muss wissen, was er tut. Für Sparer in deutschen Rentenfonds ist das dennoch zunächst mal gut. Die Rekordkurse für Bundesanleihen rechnen sich momentan gut um auf die Anteilwerte der Fonds.

Rekordkurse für Anleihen

Die Umstände der Bundesanleihe 08/40 gelten im Prinzip für alle Bundesanleihen. Diese Umstände wirken ebenso übertrieben, wie die aktuellen Aktienkurse untertrieben wirken. In China ebbt die Corona-Welle. Die Aktienkurse sind dort weit weniger eingebrochen als jetzt in Europa. Die Europäische Zentralbank könnte den Abwärtsstrudel der Aktienkurse aufhalten. Geld spielt für die Zentralbank bekanntlich überhaupt keine Rolle. Vor fünf Jahren haben die Zentralbanker angefangen, den Euro zu retten. Jetzt müssen sie Europa retten. Die internationalen Spekulanten werden dann auch wieder kommen.

Wenn China aus der Corona-Falle rauskommt, dann wird das auch Europa gelingen. Für das Geldgeschäft, für Fonds, Versicherungen und Pensionskassen, ist das wichtig. Die Aktionäre müssen zusammenkommen zu ihre Jahres-Hauptversammlungen. Dort werden die Auszahlungen der Dividenden beschlossen.

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