Die Medizinjournalistin Cornelia Stolze studierte Biologie aus Faszination für Naturwissenschaften und weil sie Dingen gerne auf den Grund geht. Eine gute Basis für ihre investigativen Recherchen, vor allem jene zum Thema Demenz. Ihre zentrale Motivation dabei ist, nicht nur fundiert und verständlich über wichtige Gesundheitsthemen zu informieren, sondern auch unabhängig – ohne Einfluss der Pharmaindustrie.
Skandal in der Alzheimerforschung
Der Fall, der Cornelia Stolze zu einer Expertin in Sachen Alzheimer machte, liegt fast zehn Jahre zurück. Damals stieß sie per Zufall auf einen Forschungsskandal, der bis heute nichts an Aktualität verloren hat. Die Journalistin fand im Frühjahr 2007 zunächst für das populärwissenschaftliche PM Magazin heraus, dass ein Alzheimer-Forscher namens Harald Hampel in großem Stil menschliche Gewebeproben an eine Pharmafirma verkauft hatte . Und das ohne Erlaubnis seines Arbeitgebers und ohne Wissen der betroffenen Patienten.
Hampel war damals ein junger, aufstrebender Professor an der Klinik für Psychiatrie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er galt als Star der Alzheimer-Szene. Doch als Stolze ihn genauer zu seiner Forschung befragte, entdeckte sie: Der Psychiater hatte nicht nur unerlaubte Geschäfte mit Blut- und Nervenwasserproben seiner Patienten gemacht.
Immer wieder setzte Hampel auch falsche Versprechen von Prävention und Heilung in die Welt. Wer an Alzheimer erkranken werde und wer nicht, könne er „eindeutig“ anhand von drei Substanzen im Nervenwasser eines Menschen feststellen. Dadurch könne er schon sieben Jahre vor Ausbruch des Leidens feststellen, behauptete er 2007. Die Wahrheit ist: Eine solche Früherkennung funktioniert bis heute nicht.
Bis heute kein Nachweis für Alzheimer Erkrankung
Hampels Aussagen setzten bei Stolze eine intensive Recherche in Gang. An deren Ende steht eine verblüffende Erkenntnis: Alle Welt spricht von Alzheimer. Doch wer sich gründlich informiert, stellt fest, dass es für die rätselhafte Krankheit keinen zuverlässigen Nachweis gibt. In Wirklichkeit können nicht einmal Spitzenexperten das Leiden diagnostizieren. Und zwar selbst dann nicht, wenn ein Mensch bereits schwer demenzkrank ist. Tatsächlich fand Stolze heraus, dass es – entgegen einer weit verbreiteten Meinung – zwischen Demenz und den vermeintlichen „Alzheimer-Plaques“ im Gehirn überhaupt keinen klaren Zusammenhang gibt.
Stattdessen aber kann eine Demenz oder ein demenzähnlicher Zustand – nachweislich – durch weit verbreitete Erkrankungen entstehen. Ursache dafür können Schlaganfälle, Hirnverletzungen, Vitaminmangel oder aber die Folgen von Alkoholabhängigkeit, Operationen und übermäßigem Konsum bestimmter Medikamente sein.
„Ich fand seriöse Studien, in denen ein Drittel von geistig gesunden Menschen bei der Untersuchung ihres Gehirns Ablagerungen aufwiesen, wie man sie auch bei Alzheimer Patienten findet. Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein, dass dieser Professor offenbar eine grottenschlechte Wissenschaft macht“, erzählt Cornelia Stolze. In ihrem Buch „Vergiss Alzheimer“, das 2011 erschien, schrieb sie detailliert über den Fall. Kurze Zeit später wurde der Wissenschaftler von der Universität Frankfurt entlassen. Das führt sie – zumindest teilweise – auf ihre Enthüllungen über die Machenschaften des Mediziners zurück.
Ihre Motivation: Menschen zu helfen
Auch mit ihrem aktuellen Buch „Verdacht Demenz“ tritt die Journalistin der Pharmaindustrie, Forschern und Medizinern auf die Füße. Und zeigt faktenreich und fundiert auf, dass die Diagnose Demenz oft vorschnell und zu Unrecht gestellt wird. „Ich möchte die Menschen mit meiner Arbeit aufklären und sie vor Fehldiagnosen bewahren. Betroffene und ihre Angehörigen können nämlich viel dafür tun, dass Ärzte die wahren Ursachen von Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit und anderen demenzähnlichen Symptomen finden“, beschreibt sie ihre Motivation.
Manchmal trifft sie auf Vorbehalte von Leuten, die sich fragen, wie sie als Biologin überhaupt medizinische Sachverhalte beurteilen kann. Ihnen erläutert Cornelia Stolze, dass sie als Naturwissenschaftlerin und als Journalistin genau dafür über das erforderliche Rüstzeug verfügt. Nämlich: ein Thema gründlich zu recherchieren, dieses aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, Fakten zu überprüfen und nur die Schlüsse daraus ziehen, die sich auch durch verlässliche Beweise belegen lassen. „Im Medizinstudium liegt der Schwerpunkt auf dem Erlernen von Krankheitsbildern, diagnostischen Vorgehensweisen und Therapien, die einem ständigen Wandel unterworfen sind. Aber man lernt nicht das wissenschaftliche Vorgehen“.
Zudem geben ihr etliche Ärzte und andere Experten auch öffentlich Recht. „Ein großer Wurf“, kommentierte der Tübinger Neuropathologe Professor Dr. Richard Meyermann ihr Buch „Vergiss Alzheimer“. „Endlich ein aufklärerisches Werk zu Alzheimer, ein Gegengewicht zur weit verbreiteten Panikstimmung“, so Dr. Thomas Zimmermann, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf.
Schon als Schülerin begeisterte sie Wissenschaft
Dabei wollte die 50-Jährige nicht Biologin werden, um Missstände aufzudecken. Ursprünglich stand die Begeisterung für die Wissenschaft im Vordergrund. Es faszinierte sie, bei der Erforschung des Lebens und der Natur „das Glück der Erkenntnis zu erleben“. Schon während der Schulzeit las sie Bücher, in denen es um bahnbrechende Entdeckungen wie die Entwicklung des Mikroskops ging. Oder um Robert Koch, der nachgewiesen hat, dass bestimmte Keime Krankheiten hervorrufen.
Fachmagazine wie „Spektrum der Wissenschaft“ inspirierten die Schülerin zu der Idee, später über Forschung und Wissenschaft schreiben zu wollen. Als Studentin verfolgte sie unbeirrt ihr Ziel. Zum Ende des Biologiestudiums absolvierte Cornelia Stolze verschiedene Praktika beim Hörfunk und bei Zeitungen und sammelte Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit für Forschungsinstitute. „Ich finde es nach wie vor toll, beides miteinander kombinieren zu können.“ Neben ihrer journalistischen Arbeit für namhafte Zeitungen und Magazine ist die Bestseller-Autorin weiterhin für verschiedene Max-Planck-Institute tätig.
Seitdem ihr Buch „Verdacht Demenz“ im Sommer 2016 auf dem Markt ist, hat Cornelia Stolze viele Interviews gegeben und ist für Vorträge bundesweit unterwegs. Dabei trifft sie auf einen riesigen Informationsbedarf zu diesem Thema und erlebt, wie sie Menschen die Augen öffnen und Mut machen kann. „Ich wünsche mir, dass das Wissen über die Auslöser von demenzähnlichen Symptomen noch viel mehr Menschen erreicht.“
Denn die Angst, dass Demenz vererbbar ist und auch zunehmend in jüngeren Jahren ausbricht, wird von der Pharmaindustrie geschürt, die sich einen großen Markt für Medikamente zur Vorbeugung erhofft. „Demenz kann durch viele Ursachen ausgelöst werden und hat am allerwenigsten mit den Genen zu tun. Und das ist für viele beruhigend zu erfahren.“