Achtung: Triggerwarnung! Im folgenden Beitrag werden die Themen Sterbehilfe und Suizid behandelt!
Vor ein paar Wochen schockierte uns die Schlagzeile, dass die Kessler-Zwillinge tot sind. Wir haben ihre einzigartige Karriere viele Jahrzehnte lang verfolgt und die attraktiven und talentierten Schwestern bewundert. Sie lebten für Frauen ihrer Generation außergewöhnlich und auch ihr Tod sorgt nun für Gesprächsstoff.

Dass sie am gleichen Tag für immer eingeschlafen sind, war kein Zufall. Im Gegenteil, im Alter von 89 Jahren haben sich Alice und Ellen Kessler dazu entschieden, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden. Ihr gesundheitlicher Zustand hätte den Umzug in ein Pflegeheim nötig gemacht, doch sie wollten selbstbestimmt sterben, ohne dafür in die in die Schweiz reisen zu müssen. Dort bietet die Organisation Dignitas seit vielen Jahren auch Menschen aus dem Ausland eine entsprechende Unterstützung an. Kritiker dieses Angebots sprechen von „Sterbetourismus“. Die Schwestern konnten jedoch in ihrem Haus in München unter ärztlicher Begleitung und gemeinsam in Würde aus dem Leben scheiden.
Was ist die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben?
Die deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) wurde 1980 gegründet. Sie ist mit rund 50.000 Mitgliedern die größte Bürgerrechts- und Patientenschutzorganisation in Deutschland. Auch die Kessler-Zwillinge waren schon lange Mitglieder. Der Verein vermittelte ihnen eine ärztliche Freitodbegleitung. Für diesen sogenannten assistierten Suizid müssen Menschen bereits seit Längerem Mitglied in der DGHS sein, einen entsprechenden Antrag stellen und nachvollziehbare Gründe angeben.
Nachdem die DGHS den Antrag fachlich geprüft hat, führen Juristen und Ärzte mindestens zwei zunächst ergebnisoffene Gespräche mit dem sterbewilligen Menschen und idealerweise seinen Angehörigen. Speziell die Ärzte informieren dann noch einmal konkret über die alternativen Möglichkeiten im Rahmen der Pflege und einer palliativmedizinischen Betreuung. Viele Menschen haben Angst vor Schmerzen, obwohl die Palliativmedizin diese heute fast immer gut lindern kann. Auch verliert ein Pflegeheim oft schnell an Schrecken, wenn sich die Menschen dort erst einmal eingelebt haben.
In der ambulanten palliativen Betreuung lindern Spezialisten Schmerzen oder Luftnot. Sie kümmern sich auch um das seelische Wohlbefinden der schwer kranken Menschen sowie ihrer Angehörigen oder Freunde. Mobile Palliativteams bestehen aus Ärzten und Pflegekräften, aber auch Seelsorgern und Ehrenamtlichen. Die Kosten für diese besondere Versorgung übernimmt die Krankenkasse, wenn ein Arzt sie zuvor verordnet hat.
Welche Formen der Sterbehilfe gibt es?
Zunächst wollen wir uns die vier verschiedenen Formen der Sterbehilfe genauer ansehen.
Passive Sterbehilfe
Bei der passiven Sterbehilfe unterbleiben Maßnahmen, die das Leben, aber oft nur das Leiden verlängern. Dabei zählen beispielsweise eine dauerhaft künstliche Beatmung oder die dauerhafte Ernährung über eine Magensonde. Auch denkbar ist, dass solche Maßnahmen zunächst erfolgen, dann aber abgebrochen werden. Beides verlangt eine entsprechend formulierte Patientenverfügung oder den erklärten Patientenwillen. Unter diesen Voraussetzungen ist eine passive Sterbehilfe in Deutschland erlaubt.
Indirekte Sterbehilfe
In Deutschland ist seit 1996 auch die indirekte Sterbehilfe zulässig. Dabei wird der verfrühte Tod eines Patienten in Kauf genommen, weil dieser sich für eine schmerzlindernde Behandlung und gleichzeitig gegen lebenserhaltende Maßnahmen entschieden hat. Das kann bedeuten, dass der Mensch weniger lange lebt, dafür aber in seinen letzten Wochen oder Monaten von mehr Lebensqualität profitiert.
Aktive Sterbehilfe
Unter aktiver Sterbehilfe wird das Verabreichen einer tödlichen Substanz an eine andere Person auf deren ausdrückliches Verlangen hin verstanden. Eine solche Tötung auf Verlangen ist in Deutschland verboten und strafbar. Wer die aktive Sterbehilfe dennoch leistet, kann zu einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren verurteilt werden.
Die Niederlande waren im Jahr 2002 das erste Land, das die aktive Sterbehilfe durch Ärzte legalisierte. Auch in Belgien und Luxemburg ist sie legal. In den Benelux-Staaten muss ein Kontrollausschuss, bestehend aus einem Arzt, einer juristischen Fachkraft sowie Experten für Ethik, dem zustimmen. Der Mensch muss schwerkrank sein und seinen Todeswunsch ausdrücklich äußern, wobei er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sein muss.
Die folgende vierte Möglichkeit haben die Kessler-Zwillinge genutzt.

Assistierter Suizid: die Rechtslage in Deutschland
Beim assistierten Suizid stellen die Unterstützer ein Medikament bereit, mit dem sich die sterbewillige Person selbst töten kann. Seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2020 ist dies in Deutschland erlaubt. Der Mensch muss allerdings in der Lage sein, das entsprechende Medikament selbst einzunehmen. Außerdem muss derjenige „urteils- und entscheidungsfähig“ sein. Zudem darf eine solche Entscheidung nicht spontan getroffen werden, sondern muss über einen längeren Zeitraum hinweg konstant bestehen.
In einer Zeit, in der darüber diskutiert wird, bis zu welchem Alter Menschen ein Anrecht auf jegliche Behandlung oder Medikamente haben, ist Sterbehilfe ein heikles Thema. Daher möchten wir eines klarstellen: Es geht um die Wahlfreiheit und die Selbstbestimmung. Das bedeutet jedoch auch, dass die menschliche und zugewandte palliativmedizinische Versorgung weiter ausgebaut und gefördert werden muss. Eigentlich sollte heute kein Mensch mehr bei schwerer Krankheit oder am Lebensende leiden müssen. Ob Luftnot oder Schmerzen, die Palliativmedizin kann (fast) alles beheben oder zumindest lindern.
In diesem Artikel ging es um das schwierige Thema der Sterbehilfe. Wir finden es wichtig, dieses Thema aus der Tabuzone zu holen. Wenn Sie oder Ihre Angehörigen darüber sprechen möchten, dann suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Hausarzt. Sie können sich auch an die Telefonseelsorge wenden. Diese erreichen Sie unter den kostenfreien Telefonnummern 0800-1110111 oder 0800-1110222.







