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Samstägliches Putzen im wöchentlichen Wechsel – von vielen als spießig, kleinkariert und pedantisch verteufelt, hält die Tradition der Kehrwoche die Menschen zu Ordnung und Sauberkeit an. Was von den einen geschmäht und zum historischen Relikt verdammt wird, wird von anderen als sinnvolle Tradition am Leben gehalten.

Traditionelles Reinemachen bei den Schwaben

Schilder in deutschen Mietshäusern mit der Aufschrift Kehrwoche, vor allem in Schwaben, bezeugen: Das organisierte Putzen ist immer noch aktuell. Der Mieter, an dessen Tür sich das Schild findet, ist für die wöchentliche Putzarbeit zuständig. Hausgemeinschaften sorgen im Wechsel dafür, dass Treppenhaus und Vorgarten sauber und ordentlich bleiben.

In der Kehrwoche nehmen es die Schwaben mit der Reinlichkeit besonders genau. Quelle: Shutterstock.com
In der Kehrwoche nehmen es die Schwaben mit der Reinlichkeit besonders genau. Quelle: Shutterstock.com

Traditionell erfolgte das Reinemachen an einem Samstag, zur Vorbereitung auf den heiligen Sonntag. Die Wurzeln der vermeintlichen Pedanterie reichen zurück bis ins 15. Jahrhundert und wurden später im 18. Jahrhundert gesetzlich geregelt. Die Stuttgarter Gassensäuberungsordnung aus dem Jahr 1714 bezog sich vorwiegend darauf „Mist und Unrath“ abzutransportieren.

In der aktualisierten Fassung von 1740 mussten alle Bewohner zweimal pro Woche die Gassen vor ihren Häusern kehren. Eine sinnvolle Sache zu einer Zeit als es weder Kanalisation noch städtische Reinigungsdienste gab. So wurde die Kehrwoche mit der Auflage, mindestens einmal wöchentlich zu fegen, Teil der kommunalen Gesetzgebung in Baden-Württemberg.

Die Kehrwoche als Streitpunkt

Dann, im Jahr 1988 änderte sich alles: Von nun an, sagt das Gesetz, solle nur noch geputzt werden, wenn es nötig sei. Putzen ist seitdem nicht mehr Pflicht, sondern unterliegt dem Ermessen jedes einzelnen. Und hier scheiden sich die schwäbischen Geister: Im Streit um die Vernachlässigung des wöchentlichen Kehrens kam es unter Nachbarn „im Ländle“ schon zu Handgreiflichkeiten.

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Aus anderen Regionen macht man sich über die schwäbische Reinlichkeit gerne lustig. Ehemaliger Bundestagspräsident Wolfgang Thierse lästerte über die zugezogenen Schwaben in Berlin: „Ich wünsche mir, dass die Schwaben begreifen, dass sie jetzt in Berlin sind und nicht mehr in ihrer Kleinstadt mit Kehrwoche“, sagte er 2013 in einem Interview mit der Berliner Morgenpost.

Wie bierernst es so manchem Schwaben mit der Kehrwoche ist, belegt eindrucksvoll ein Aprilscherz, den sich der TV-Sender B.TV Württemberg vor gut 15 Jahren leistete. In einem Beitrag behauptete man, die Kehrwoche würde per Gesetz verboten. Das brachte so einige gegen die Bundesregierung auf – und den Beamten im Bundestag eine Flut von Beschwerdebriefen ein. Als die Volkshochschule Calw einen „Kehrwochen-Kompaktkurs“ zum Erlernen von Putztechniken anbot, löste sie nicht nur herzhafte Lacher aus, sondern erhielt vor allem zahlreiche Anmeldungen von Interessierten. Und auch zu Geburtstagen werden in Baden-Württemberg immer wieder gerne Gutscheine für den „Kehrwochendienst“ verschenkt – eine saubere Sache!

Für alle, die für ihre in Schwaben lebenden Verwandten oder Freunde ein passendes Geschenk suchen, haben wir hier einige Adressen herausgesucht:

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