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Moshtari Hilal wurde 1993 in Kabul geboren und lebt heute als Künstlerin und Autorin in Hamburg. Sie studierte Islamwissenschaften und erhielt 2023 für dieses Buch (erschienen im Hanser Verlag) den Hamburger Literaturpreis als SACHBUCH DES JAHRES.

Zwei Fragen gingen mir beim Lesen dieses Buches spontan durch den Kopf: Warum schreibt eine so hübsche, junge Frau ein Buch über Hässlichkeit? Und ist dieses Buch wirklich ein Sachbuch? Das lasse ich jetzt mal so im Raum stehen.

Der Einstig beginnt bei der Autorin selbst. Schon in ihrer Jugend waren die Nase zu groß, die Körperbehaarung zu stark und die Hautfarbe zu dunkel. Alltäglich Themen bei afghanischen Frauen.

Moshtari Hilal erzählt viel von den Selbstzweifeln in der Kindheit beginnend. Sie findet sich hässlich. Wählt nicht zufällig für den Titel ihres Werkes ein zerknittertes Passbild. Sie und ihre Schwestern träumen früh von glatten Beinen, eleganter Figur, perfekt wie bei den Anwältinnen in amerikanischen Serien. Zusätzlich angestachelt durch den eigenen Vater, durch Arbeitgeber… durch Männer im Umfeld. „Du wärst so hübsch ohne deine große Nase“.

"Hässlichkeit" von Moshtari Hilal, erschienen im Hanser Verlag. Bildquelle: Hanser Verlag
“Hässlichkeit” von Moshtari Hilal, erschienen im Hanser Verlag. Bildquelle: Hanser Verlag

Da sie in Afghanistan aufwächst erlebt sie dort sehr früh, wie groß das Thema und das Bemühen der Frauen ist, sich der westlichen Welt optisch anzunähern. Hellere Haut bedeutet höhere Klasse, begehrte kleinere Nasen werden als „deutsche Nase“ bezeichnet. 

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Anhand von Recherche zeigt die Autorin auf, wie wir gelernt haben Körpermerkmale als Abweichung zu erkennen. Davon profitiert das System. Und grenzt Menschen immer aus.

Das was wir als hässlich beschreiben und wahrnehmen, ist das was wir gelernt haben.

Besonders die Angst der Frauen vor Körperbehaarung, vor Falten, vor der natürlichen Veränderung… Die Ablehnung des eigenen Körpers, oft schon in jungen Jahren. Das Streben nach dem perfekten, makellosen Erscheinen. Der Selbstentfremdung.

Hilal schreibt auch über die Geschichte der Schönheitswahns. Schon Ende 1800 operierte der Berliner Arzt Jaques Joseph vermeintlich „jüdische Nasen“, um den Frauen ein leichteres Leben zu verschaffen. Er gilt als Begründer der modernen, plastischen Chirurgie. Ein Geschäftsmodell, dass Menschen anbietet, sich zu verändern, weil sie wegen ihres Aussehens diskriminiert werden. 

Auch andere Wissenschaftler untersuchten damals Menschen in den damaligen Irrenanstalten, Verbrecher, Vergewaltiger und kamen zu dem Schluss, dass es klar zugeordnete Merkmale bei diesen Personen gäbe. Fliehendes Kinn, geschwollene Lippen, abstehende Ohren… noch heute finden wir in Filmen und Büchern genau diese Merkmale beschrieben. All das bildete die Grundlage für Ausgrenzung, Diskriminierung. Du siehst anders aus? Also gehörst Du nicht dazu. Du bist hässlich.

Auch die heutige Selbstoptimierung nimmt die junge Autorin sich vor.

Fast alles ist machbar. Natürliches Altern ist mit Scham verbunden oder wird absurderweise inzwischen abgefeiert. Tritt eine Prominente mit Falten und ohne Make up auf, wird das als großartig und mutig bezeichnet. Fast eine Heldentat! Wie tragisch. Die eigentliche, natürliche, ehrliche Schönheit hat keinen Platz mehr.

Sie berichtet auch von einem Fall in China, wo ein Ehemann nach der Geburt der Tochter, die er als hässlich bezeichnet, seine Frau verklagt. Sie hatte ihm verschwiegen, dass sie sich vor ihrem Kennenlernen bereits mehrfach hatte operieren lassen. Ihr Kind sah nun der ursprünglichen Mutter ähnlich, der Mann fühlte sich betrogen. Und: Er bekam Recht, sie musste ihm Strafe bezahlen. Tragisch aber wahr. Und das im Jahr 2004!

In allen Kapiteln, den wissenschaftlichen Erörterungen, den Essays, der emotionalen Reflexion aus der Kindheit, den Gedichten drückt sich der Wunsch der Autorin zur Versöhnung mit der “Hässlichkeit” aus.

Hässlichkeit

Hässlichkeit verliert ihre Anstößigkeit,
wenn sie uns berührt,
sie ganz nah an uns heran kommt
und uns umschlingt.

Wenn sie zerfällt in ihre Einzelteile
und bei denen anlangt,
die wir kennen und achten,
nimmt sie uns jede Eitelkeit,
und die Kraft, zu wieder sprechen.

Ich bin hässlich, weil ich bin.
Ich bin schön, weil ich bin.“

Moshtari Hilals „Hässlichkeit“ ist ein ehrlicher und mutiger Blick auf den Status quo unserer Gesellschaft. 

Viel Spaß beim lesen, Eure Katharina

Das Buch können Sie ganz einfach und versandkostenfrei online hier, in der Buchhandlung unseres Vertrauens, bestellen!Mehr zu Katharina Martini erfahrenSie unter: www.katharinamartini.de oder bei Instagram unter katharina_liest vor.

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